Zieht viele Strippen: Heiko Dietz

Theater-Macher Heiko Dietz: „Ich gebe nicht so leicht auf“

Infiziert mit dem Theatervirus: Heiko Dietz feiert mit dem theater … und so fort ein Jahr lang 25. Geburtstag

Herr Dietz, auf Jubiläen freut man sich. Allerdings können sie ja auch ein wenig nachdenklich stimmen. Hätten Sie denn je gedacht, dass es mit dem theater … und so fort diesen Weg nimmt und dass Sie sich von der eigenen Bühnenarbeit einmal zum Theaterleiter und Schauspiellehrer entwickeln?
Nein, das hat sich alles über die Jahre ergeben – eins nach dem andern. Es war ja nie mein Plan, ein eigenes Theater aufzumachen.

Wirklich?
Ich wollte spielen. Das theater … und so fort als freie Gruppe gibt es ja schon seit 1989 – also auch schon vor meiner Zeit dort. Ich kam 1992 dazu. Ein paar Jahre später war ich 1998 gerade selbst auch an den Kammerspielen beschäftigt – und da habe ich in der Zeitung gelesen: Uta Emmer gibt das Moderne Theater auf.

Ihr damaliges Theater in der Hans-Sachs-Straße, das wenig später ein fester Ort für das theater … und so fort wurde?
Genau. Dort wurde ich zunächst zusammen mit Christian Kroos erstmalig zum Theater-Chef im eigenen Haus. 1999 haben wir es eröffnet – daher nun unser 25-Jahre-Jubiläum!

Über Heiko Dietz:
Angstfreier Typ: Heiko Dietz leitet das theater … und so fort, steht selbst auf der Bühne, arbeitete lange als Schauspiellehrer und schreibt viele Stücke selbst. Wiedersehens-Tipp: Am 31. Januar kehrt er mit seinem preisgekrönten Drama „The Fear of 13“ nach dem Bestseller von Nick Yarris zurück. www.undsofort.de

Wie muss man sich so eine Gründung vorstellen: Geht man dann in der Gruppe oder auch im Freundeskreis mit einem Hut, um Geld zu sammeln?
Wir sind erst einmal ins Kulturreferat gelatscht, um zu sondieren, welche Chance es für gefördertes Theater gibt. Dort hat man uns damals weitergeschickt. Eine klare Absage. Man fand es eher lustig, dass wir auf die Idee kommen könnten, nach Geld zu fragen.

Das Moderne Theater von Emmer wurde seinerzeit ja gefördert. Es gab keine Quasi-Erb-Ansprüche, als Sie es gemeinsam übernahmen?
Damals nicht. Die Regelungen haben sich mittlerweile etwas geändert. Aber schnell stand fest: Ich gebe nicht so leicht auf! Dann musste es halt ohne Theaterförderung gehen. Zum Glück hatten wir zunächst großes Glück mit unserem Vermieter in der Hans-Sachs-Straße. Er wollte dort unbedingt Theater möglich machen.

Ein Sechser im Lotto!
Es war sehr großzügig. Wir hatten allerdings auch schon einen Spielplan für einen halbes Jahr auf der Hinterhand und gingen gut vorbereitet in dieses Gespräch. Das hat ihm wohl imponiert – und wir durften machen!

Trotzdem: Wie lange schläft man da schlecht, wenn man so ins nicht nur künstlerische, sondern auch ins geschäftliche Risiko geht? Dass man vom Künstler und Schauspieler auch zum Unternehmer wird, ist ja doch auch ein herausfordernder Rollenwechsel.
Durchaus. Aber damals hat mich das nicht so gestört. Ich war mir sicher: Ich tue nur genau das, was für unser Theater nötig ist.

Klingt nach einem recht geschmeidigen Naturell.
Wenn es nötig ist, diese geschäftliche Funktion zu übernehmen, dann ist das eben so. Später, als wir in die Kurfürstenstraße umzogen, musste ich plötzlich eine Bar betreiben. Ich wollte nie Barkeeper sein, habe das dann aber trotzdem gemacht. Mir war wichtig, dass das Geld im Haus bleibt. Also krempelte ich auch da die Ärmel hoch.

Mittlerweile sind Sie – einen unverschuldet massiven Wasser- und Asbestschaden, zeitweise Heimatlosigkeit und Asyl in diversen anderen Privattheatern sowie die Corona-Zeiten später – in Sendling-Westpark angelangt. Wie wichtig ist es, einen festen Ort, ein eigenes Theater zu haben?
Das gibt schon eine ganz neue Identität. Ein eigenes Haus ist natürlich eine andere Nummer, als wenn man sich als freie Gruppe irgendwo einmietet – und dann nach dem Projekt sagt: Tschüss und auf Wiedersehen. Aber man muss eben auch laufend Miete und Nebenkosten zahlen – und die vorher erst mal einspielen. Wenn das Geld nicht jeweils am ersten Fälligkeitstag auf dem Konto ist, dann gibt’s für mich Ärger. Oder auf jeden Fall eine SMS von unserem Vermieter.

„Es geht darum, was wir machen, nicht wo wir es machen.“

Heiko Dietz

Wie viel Nervenflattern kostet Sie das alles eigentlich?
Alle unsere Umzüge waren schon sehr sportlich. Als wir in die Kurfürstenstraße umzogen, strichen wir zur ersten Vorstellung noch die Rückwand. Als die ersten Gäste kamen, war die Farbe noch feucht. Man durfte sich nicht anlehnen. Wirklich eine Aktion auf den letzten Drücker!

Klingt spannend.
War schon sehr lustig, aber das war eben eine neue Herausforderung. Und für ein neues Zuhause nimmt man so was gern auf sich. Ich habe kein Problem mit Umziehen. Ich bin Orten nicht so sehr verhaftet. Auch unser neuer Spielort in Sendling-Westpark ist mir dann eher zugefallen.

Die Hinterbärenbadstraße in Sendling-Westpark ist ja vielleicht nicht der typische Ausgeh-Ort.
Mag schon sein, stört mich aber nicht. Unser Gäste-Newsletter-Verteiler ist hier sogar größer geworden mittlerweile. Die Leute kommen gern zu hierher. Während der Zeit, als wir nach dem großen Wasserschaden die Kurfürstenstraße verlassen mussten, haben wir zwei Jahre lang gastiert – unter anderem in der Pasinger Fabrik, im Teamtheater, im Tams, im Heppel & Ettlich oder im Blutenburgtheater. Wir haben sogar im Milla-Club ein Stück gespielt. Unsere Fans sind uns dahin gefolgt – egal wo wir waren. Ab und an war der eine oder andere Betreiber recht verwundert, wieso wir so viele Gäste haben.

Das spricht doch für Sie und den Geist der Truppe.
Es geht darum, was wir machen, nicht wo wir es machen.

Grund für Selbstbewusstsein. Allerdings: Wie heißt denn eigentlich der Zaubertrank, der Ihnen diese beneidenswerte Energie gibt? Sie spielen ja nicht nur selber, inszenieren und schreiben Stücke. Eigentlich sind das ja gleich mehrere Berufe.
Ich weiß nicht, wieso das so ist. Es hat sich so ergeben. Eigentlich habe ich ja was ganz anderes gelernt.

Was denn?
Einen Metallberuf, dann wollte ich eigentlich Arzt werden. Ich hatte in München das Abendgymnasium besucht und wollte damals über die Bundeswehr Medizin studieren. Aber dann bin ich zu dieser Theatergruppe gekommen – und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Wenn man sich einmal infiziert hat mit dem Theatervirus: Wie sehr ändert sich das Leben?
Es war für mich das Sinnvollste, das zu tun. Ich stecke schon lange tief in dem Theaterding drin. Und das passt zu mir. Warum wechseln?

Ihren Mut hat ja nicht jeder. Gelegentlich hat man das Gefühl, gerade junge Leute heute sind vielleicht fast ein bisschen konservativer geworden in ihrer Lebensplanung.
Was mir tatsächlich gefehlt hat in all den Jahren, ist typisches Sicherheitsdenken. Ich habe keine Angst davor, dass irgendwas passieren kann oder dass vielleicht sogar alles den Bach runter geht. Wenn man diese Angst permanent vor sich herträgt, kann das ja nur schief gehen.

Wie organisieren Sie eigentlich Ihre Freiräume, wenn Sie neben dem laufenden Betrieb an neuen Stoffen arbeiten?
Wenn ich eine Idee zu einem Stück habe, dann schreibe ich das einfach alles auf. Natürlich muss ich mir eine Deadline setzen, sonst wird da nie was.

Rückzug ins stille Kämmerlein und dann mal lieber vier Wochen nicht ansprechbar sein?
Das Schreiben ist bei mir immer ein Prozess, der sich über Monate hinzieht. Am Anfang geht es um drei Dinge: Recherche, Recherche, Recherche. Das Materialsammeln ist immer die größte Aufgabe. Das Schreiben geht dann relativ schnell. Früher bin ich für solche Arbeiten ganz gern in ein kleines Domizil in der Schweiz gefahren – am Lago Maggiore. Diese Rückzugsoption habe ich leider momentan nicht mehr. Mal sehen, wo ich mein nächstes Stück schreibe. Fest steht, dass es kommen wird – im nächsten Jahr im Herbst.

Sehen Sie schon beim Schreiben, was später vielleicht auf der Bühne passieren kann?
Manchmal. Das hängt auch an der Besetzung. Mir ist es beim Schreiben lieber, wenn ich schon weiß, wer das spielen könnte. Am Ende muss es dann gar nicht diese Person sein, weil sie oder er vielleicht gar keine Zeit für uns hat. Aber ich habe dann trotzdem ein Bild im Kopf. So fällt es mir leichter, Dialoge zu schreiben.

Zum Abschluss ein Blick aufs Jubiläumsjahr: Wie wird gefeiert?
Zentral wird vor allem unsere Februar-Produktion sein. Doch die Idee ist, dass wir das ganze Jahr unter dem Motto „25 Jahre“ laufen lassen. Jede unserer eigenen Produktionen sollte, wenn möglich, eine Uraufführung oder zumindest eine deutschsprachige Erstaufführung sein. Drei Uraufführungen habe ich schon zusammen, aktuell suche ich noch ein viertes Stück. Zwischendurch kommen, wie jedes Jahr, ein paar Mal Gäste zu uns. Aber im Jubiläumsjahr wird das wesentlich weniger häufig der Fall sein als in der jüngsten Zeit. Wir spielen – und feiern – hauptsächlich selber!