Seit 1965 gibt es das italienische Restaurant Taormina im Westend, Freunde von Pasta und Pizza wissen das zu schätzen.
Zuerst der Schock: das Taormina wurde renoviert. Unser ehemaliges Wohnzimmer. Unser Spaghetti Vongole-Eldorado. Frascati-Hochburg. Die erste nach unserem Gusto belegte Pizza. „Die haben die Sitznischen rausgerissen“, so ein Bekannter. Wände freigelegt. Backstein. Handgeschriebene Wandtafeln. Mit bunter Kreide. Und Antonio? Der wäre noch da, hält die Stellung seit 30 Jahren. Wir schauen uns an, wie neulich im ehemaligen Zwingereck, das jetzt Xaver’s heißt. Ist das wirklich schon so lange her? Wo sind sie hingekommen die Jahre? War doch erst gestern, oder?
Weißt du noch, damals, das kleine Zimmer ohne Küche, jeden Mittag sind wir im Taormina eingekehrt, zuerst der Cappuccino und ein Cornetto, dann die Pizza und der Frascati. Antonio kam gerade frisch aus Neapel (wir dachten immer aus Taormina, Sizilien, logisch), sprach kaum Deutsch, man versteht ihn aber eh fast nicht, da er mehr zu sich als zu den Gästen spricht, trotzdem alles mitbekommt und mit seiner Schürze bis heute das Bild eines klassischen italienischen Kellners abgibt, der plötzlich mit der Pfeffermühle am Tisch auftaucht und den Salat auf seine ganz eigene Weise anmacht. Zeit, dass alles einmal wieder selbst zu überprüfen.
Pizza für die Nachbarschaft
Eine Rundumerneuerung sieht anders aus. Zum Glück. Die rotweiß-karierten Tischdecken, die ganzen Kitschfigürchen, alles noch da. Die Nischen nicht mehr und das ist auch gut so. Dafür freier Blick auf den Pizzabäcker. Antonio hätte heute frei, sagt der freundliche Mann im Service, der auch den Laden schmeißt, wie es aussieht. Oder doch, ein bisschen ist er schon da, meint er und führt uns hinter den Tresen zu einer 70 Zentimeter Antonio-Figur (mit Pfeffermühle), die ein Stammgast von ihm angefertigt hat. Außer, dass er nun ein Brille trägt – alles beim Alten. Und so geht es weiter, auch kulinarisch.
Die Pizzen erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit in der Nachbarschaft, ein ständiges Kommen und Gehen, Ciao hier und da, der Laden ist rappelvoll. Große Gruppen und Pärchen bestimmen das Bild, das Publikum ist bunt gemischt, wie auch die Wohngegend im Westend. Wir bestellen keinen Frascati, die Zeiten sind auch mit Hinblick auf Sodbrennen nach dem Genuss des säurereichen Weißweins endgültig vorbei und bekommen einen Primo Bianco (Fl. 32) von Farnese aus Apulien angeboten, trifft sich eh gut, da fahren wir gleich wieder hin. Der Wein ist ein Cuvée aus Malvasia Bianco, Chardonnay und Fiano, eher kräftig im Geschmack mit relativ wenig Säure bei 12,5 Prozent Alkohol.
Limoncello für alle
Passt jedenfalls besten zu Spaghetti mit Fischfilet und Calamaretti (11,90), eine gelungene Pasta, die darüber hinwegtröstet, dass es heute keine frischen Vongole gibt. Als Hauptgang wird ein mit Mozzarella überbackenes Schweinfilet mit Steinpilzen (16,90) serviert, die Portion würde locker für zwei reichen. Kein Höhenflug, aber schmeckt recht ordentlich, hier wäre weniger mit mehr Raffinesse mal wieder mehr gewesen. Das gilt auch für das sommerliche Fischgericht: Wolfsbarschfilets in einer Zitronensoße mit Kirschtomaten, Staudensellerie, Rucola und Zucchini – klingt ein bisschen abenteuerlich durcheinander, mundet aber überraschend gut. Warum aber Zitronen- und Orangenstücke (mit Schale) in der Soße sind, erschließt sich nicht so ganz und schmeckt auch ziemlich bitter, wenn man draufbeißt. Der fast allen Gästen ausgegebene Limoncello richtet es wieder hin, natürlich locken auch hier süße Sünden wie Profiteroles und Tiramisu.
Fazit: Wer kulinarische Höhenflüge der italienischen Küche bei den Hauptgerichten erwartet, liegt hier falsch, aber wegen Pasta und Pizza ist das Taormina immer noch einen Besuch wert. Vor allem, wenn man Erinnerungen teilt, die unbezahlbar sind.
Autor: Rainer Germann
Taormina, Parkstraße 12
Mo-Fr: 11.30-14.30/18-23 Uhr Sa/So: 17-23 Uhr, Tel.: 089 508 891