Cool Britannia: Paul Weller lässt bei seinem fantastischen Konzert in der Muffathalle den Brexit für zwei Stunden vergessen
Der Mann kommt praktisch direkt aus Italien (Rom und Jesolo) mit Zwischenstopp in Wien: München ist das letzte Konzert auf einer ausgedehnten Sommertournee und der 65jährige „Modfather“ Paul Weller und seine exquisite Band (u.a. Ben Gordelier (dr), Steve Cradock (git) and Bassist Jake Fletcher) wollen es nochmal wissen zum Finale. Und: Es war ein Fest. Weller entert topfit die Bühne und startet mit dem bisschen stampfigen „Cosmic Fringes“ vom Album „Fat Pop“ in der ausverkauften Halle unter großem Beifall seiner in etwa gleichaltrigen Fans in den Abend. Und dann gleich: „My Ever Changing Moods“, der Seelentröster vom Style-Council-Album „Café Bleu“, als Uptempo-Sundowner – ganz ehrlich, was soll hier noch schiefgehen? Großer Applaus, Weller freut sich „happy to be back in munich“ zu sein, „it was a long time …“. Oh ja. Nach „Old Father Thyme“ vom in Deutschland sehr erfolgreichen Album „On Sunset“, wie später wegen der guten Charts-Platzierungen für das Titelstück und dem großartig dargebrachten „Glad Times“ dankbar erwähnt wurde, kam nach der anschließenden, von den Fans gefeierten Mod-Hymne „Headstart For Happiness“ (wieder „Café Bleu“) ein ganz neues Stück: das recht riffrockige „Jumble Queen“ soll, „hopefully“, nächstes Jahr auf einem neuen Album erscheinen. Interlude: Dass die britische Pop-Ikone Paul Weller, der mit Bands wie The Jam und Style Council Musik-Geschichte schrieb und auch auf eine recht erfolgreiche Solokarriere zurückblicken kann, „hofft“ ein nächstes Album veröffentlichen zu können, stimmt nachdenklich. Weiter geht’s: Einsatz verpatzt bei „Pictures On The Wall“, macht nichts, Applaus, Applaus, jetzt passt es, und heute kann eh nichts mehr schiefgehen! Bei „Hung Up“ klingen Paul Weller und Steve Cradock plötzlich wie Tom Petty und Mike Campbell, „More“ kommt mit einem Dub-Reggae-Jam daher, „Broken Bones“ zeigt, dass Weller auch zu den großen britischen (Northern-)Soul-Musiker gezählt werden muss – Gänsehaut pur. Praktisch aus dem Stehgreif dann ein Übergang zu nächsten Mod-Hymne „Shout To The Top“ – bei „Into Tomorrow“ verlässt der Meister die Bühne, um seiner Band einen Manchester-Rave-Jam à la Stone Roses zu gönnen, danach mit „Start!“ ein Nummer 1-Hit in England 1980 vom The Jam-Album „Sound Effects“. Geht’s noch? Ja: Nach dem „Heavy Soul“-Song „Peacock Suit“ als Schlussnummer im Set, geht es mit dem loungigen „On Sunset“ in die Zugaben. „You Do Something To Me“ konnte in einer wunderbaren Las Vegas-Version wieder für Gänsehaut sorgen, das galt auch für „Rockets“, das nicht nur harmonisch wie eine Reminiszenz an den großen Roy Orbison klang. Und dann: Dank an die Crew und „That’s Entertainment“ – stand nicht auf der Setlist, „Town Called Malice“ schon. Cool Britannia – seit Brexit nicht mehr so intensiv erlebt. Danke, Paul.
Rainer Germann