Loud & Proud: China Moses im Bayerischen Hof

Jazz im Juli: Prachtgarten-Träume und Voodoo-Jazz

Bevor sich bald das Sommerloch auftut, gibt es in Sachen Jazz im Juli ein heftiges Überangebot

Auf die Frage, was er denn mit 50 sein wolle, hat der Tenorsaxofonist Walter Smith III mir einst geantwortet: „In Rente.“ Klar, da hat er natürlich ein Späßle gmacht und dann tüchtig los geprustet. Der Texaner ist ein kleiner Schelm – wie sich auch auf seinem Instagram-Account zeigt. Wenn es aber um Musik geht, bleibt der Mann, dessen Namen Menschen mit Ti-Ätsch-Schwäche sich kaum auszusprechen trauen, verdammt ernst. Ginge alles mit rechten Dingen zu, würde der 43-jährige längst mit den Größten ihrer Zunft in einem Atemzug genannt werden. Er arbeitet beharrlich dran, dass das bald der Fall ist. Mit einem Wahnsinns-Ton und geschmeidigsten Wendungen weiß Walter Smith III zu spielen. Wenn er das tut, hat er die Tradition stets im Hinterkopf und die Zukunft vor Augen und Ohren. „Selbst wenn ich einen Jazz-Standard im Programm habe, würde ich ihn niemals normal angehen“, erzählt er im Interview. „Meine Mitspieler und ich sind alle noch verhältnismäßig jung, kennen unsere Jazz-Geschichte und hören auch sehr viel andere Musik, zum Teil aus fremden Ländern. Wir sind zudem mit ungewöhnlichen Zählzeiten vertraut und fühlen uns wohl damit immer etwas auszuprobieren. Wir haben keine Angst zu versagen, wenn wir etwas Neues wagen.“

Walter Smith III, Sohn eines Tenorsaxofonisten, soll sich seine musikalische Selbständigkeit schon früh erarbeitet haben. Das berichten Kollegen, die ihn bereits als Twen kannten. Dazu sagt er: „Es war wichtig die Umgebung zu verlassen, in der ich aufgewachsen bin. Aber auch wer sich abnabelt, kann immer noch von dem zehren, was er zuhause einst gelernt hat.“ Bei der Suche nach seiner persönlichen Stimme kam ihm zugute, dass er sich schon zu Beginn seiner Karriere in allen erdenklichen Konstellationen austoben durfte – er hat mit Hip-Hoppern, Showgrößen, Neosoul-Bands gearbeitet, mit Youngstern und Veteranen, hat mit fast allen wichtigen amerikanischen Jazzmusikerinnen und Jazzmusikern seiner Generation auf der Bühne gestanden. Das färbt ab und macht seine eigene Musik reicher. Die stellt er jetzt mit lauter Assen in der Unterfahrt vor (16.7.). Seine Mitstreiter hat er mit Bedacht ausgewählt: Es sind der Pianist Danny Grissett, der Bassist Joe Sanders und der Schlagzeuger Bill Stewart.

Festivals:

Wenn das Wetter mitspielt, ist der Botanische Garten als Location fast unschlagbar – auch heuer lohnen sich Trips zum Augsburger Jazzsommer (3.7.– 6.8.), zu dem der Künstlerische Leiter Tilman Herpichböhm das Émile Parisien Quartet, das Rebecca Trescher Tentett, Walter Smith III, Sylvie Courvoisiers Chimaera, The Bad Plus und das Omer Klein Trio in die Prachtgarten-Anlage eingeladen hat. Das Rahmenprogramm im Brunnenhof des Zeughauses ist auch nicht ohne. /// Das Jazzweekend Unterföhring möchte uns ins Bürgerhaus locken, wo dem Kinder-Programm Die Jazzbande (11.7.), Auftritte der kanadischen Singer-Songwriterin Dominique Fils-Aimé (12.7.), von Christian McBride’s Ursa Major (13.7.) und des argentinisch-andalusischen Tango-Flamenco-Jazz-Gespanns Emilio Salla/Antonio Lizana folgen. Begleitet wird das Jazzweekend von einer Ausstellung des Münchners Thomas J. Krebs, der sein persönliches Best of aus einem halben Jahrhundert als Musikfotograf zeigt. /// Loud & Proud hat Oliver Hochkeppel, der Künstlerische Leiter des Jazz-Programms im Bayerischen Hof als Motto über den Jazz Sommer im Hotel gestellt, wo sich im Festsaal und im Nightclub Al DiMeola’s Electric Quintet (16.7.), Saxofonist Jacques Schwarz-Bart mit Voodoo-Jazz aus Guadeloupe (16.7.), die Sängerinnen Malika Tirolien (17.7.) und China Moses (18.7.), die Kennedy Administration (19.7.) und das lokale Allstar-Munich Special L & P (20.7.) angesagt haben. Im Rahmenprogramm des Jazz Sommers gibt es in der astor@Cinema Lounge Filme wie „Miles Ahead“ zu sehen und im Foyer die Ausstellung „Passion“ des Lindbergh-Schülers Mike Meyer.

Jazz-Shortcuts:

Eine neue Belüftungsanlage muss her. Bevor die Unterfahrt Anfang August deshalb für sechs Wochen schließt, dreht der Club noch mal richtig auf: erst zeigen die musikalisch ganz unterschiedlich sozialisierten Tonsetzer des Munich Composers Collectives was sich alles aus der Instrumentierung des Ensembles holen lässt (1. + 2.7.). Dann gibt’s eine subtile Dröhnung von Three and a Half feat. Jakob Grimm (3.7.), und den Trompeter Jeremy Pelt treiben musikalische Expansionsgelüste um (5.7.). Das Landesjugendjazzorchester Bayern zeigt uns am 8.7. was der hiesige Nachwuchs drauf hat. /// Ein mit Klavier, Vibrafon und Schlagzeug besetztes Trio namens Forges will die perkussiven Optionen dieser Instrumentierung bei „Jazz+“ austesten (Seidlvilla, 9.7.). /// Geballte Starpower in der Unterfahrt: erst dreht Saxofonist James Brandon Lewis mit seinem Trio auf (9.7.), dann schickt der puertorikanische Altist Miguel Zenón Musik aus allen Ecken des südamerikanischen Kontinents durch den persönlichen Filter und schließlich gibt Gitarren-Legende Bill Frisell wegen der großen Nachfrage gleich zwei Konzerte an einem Abend (11.7.). Dann dominieren Stimmen das Unterfahrt-Programm: die der Schweizerin Fiona Grond (12.7.), des Münchner Jazz- und Rock-Chors VoicesInTime (13.7.), der Soulröhre Judith Hill (17.7.) und der Brasilianerin Fernanda Santana (18.7.). /// Auf ein Happening können sich Besucher des Schwere Reiter am 17.7. freuen – da verspricht das Programm Six, Alpes & Jazz um Multi-Instrumentalist
Matthias Schriefl „Hausmusi meets Clubsound“. /// Und wieder ein Unterfahrt-Block: Marc Ribot geht mit seinen Jazz Bins zurück zu den Blues- und Soul Jazz-Wurzeln (20.7.). /// Die Big Band des Pestalozzi-Gymasiums will in der Unterfahrt groß aufspielen (21.7.) und die Renner Brothers Valentin (Schlagzeug) und Moritz (Posaune) laden am 23. + 24.7. die Bassistin Lisa Wulff und den Pianisten Christian Elsässer zu sich auf die Bühne ein. /// Im Funkhaus grooved Saxofonistin Nicole Johänntgen bei „Bühne Frei im Studio 2“ (24.7.). /// Der 26.7. ist wieder mal so ein Tag mit zu viel Angebot: da pumpt der Norweger Daniel Herskedal im Bergson tiefe Töne aus dem Trichter seiner Tuba, spielt das Jannotta-Klentze-Project das dankbare Programm „Gratitude“ im Künstlerhaus und Percussionist Biboul Darouiche lässt in der Unterfahrt die Afrobeats tanzen. /// Den Jazz-Monat Juli lässt JISR’s Āmālgamation mit einem Mix aus Gnawa-Rhythmik und Spiritual-Jazz in der Unterfahrt ausklingen (31.7.).