Die Fotografin

Der Filmtipp: „Die Fotografin“ von Ellen Kuras

Am 19.9. kommt der Film „Die Fotografin“ von Ellen Kuras, mit Kate Winslet in der Hauptrolle in die Kinos. Unser Filmtipp des Monats.

So stellt man sich das süße Leben unter der Sonne Südfrankreichs vor: Schöne Menschen, die Schampus schlürfen, exzellent speisen und hemmungslos flirten, das luxuriöse Bohèmeleben im Jahre 1938 genießen, als ob es kein Morgen geben würde. Mittelpunkt der fröhlichen Clique ist Lee Miller, einstige Muse des Avantgarde-Fotografen Man Ray und begehrtes Fotomodell. Als sie ihren zweiten Ehemann, den englischen Kunsthändler Roland Penrose (Alexander Skarsgård), kennenlernt und ihm nach London folgt, startet sie eine Karriere als Modefotografin bei der Vogue. Sie will nicht mehr als Objekt der Begierde vor der Kamera stehen, sondern dahinter.

Als die Männer später in den Krieg ziehen, will sie an die Front als Kriegsfotografin, was aufgrund ihres Geschlechts aussichtslos scheint. Erst ihre US-Staatsbürgerschaft ermöglicht das Unmögliche. Ihre Aufnahmen spiegeln das Grauen der Schlachtfelder und die schrecklichen Ereignisse des Krieges aus weiblicher Perspektive.

Kate Winslet verkörpert nicht nur kongenial diese unglaubliche Frau, sondern fungiert auch als Produzentin. Dass noch niemand filmisch das spannende Thema aufgriff und statt dessen auf dem Dachboden eine verstaubte Kiste mit Drehbüchern steht, erklärte ihr Sohn Antony lapidar, die potenziellen Regisseure hätten „sie einfach nicht verstanden“. Gemeinsam versuchten die beiden, einen Zugang zu dieser außergewöhnlichen Figur zu finden und den Charakter dieser mutigen und charismatischen, empathischen aber manchmal auch sturen Persönlichkeit zu ergründen. Ellen Kuras` Film basiert auf Penroses Buch “The Lives of Lee Miller“ und zeichnet den Weg einer starken Frau, die sich mit einem emotionalen Panzer umgibt, um nicht am Leid der anderen zu zerbrechen. Was zählte, war der Einsatz für die Wahrheit.

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Mit ihrem jüdischen Kollegen David E. Scherman (Andy Samberg) liefert sie erschütternde Fotos von der Befreiung Frankreichs und später als erste die Bilder von den Verbrechen der Nazis in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald. Ihre Aufnahmen von ausgemergelten Leichen wurden von der amerikanischen Vogue unter dem Titel „Believe it“ gedruckt, die britische Vogue traute sich zum Ärger Lees nicht, veröffentlichte nur ein Foto der Lager. Mediale Abwägung oder Feigheit, die heute noch so aktuell ist wie damals. Was darf man zeigen, was ist zumutbar? Wo beginnt, wo endet Selbstzensur, das tödliche Schweigen?

Bis in die Nebenrollen sind die Schauspieler bestens besetzt. Neben Kate Winslet, die das weite Spektrum von Lees Gefühlen rüberbringt, von Kraft und Risikolust in den gefährlichsten Situationen bis zur totalen Verletzbarkeit und Schwäche, die sie nur einen Moment zulässt und mit Ruppigkeit kaschiert, überzeugt Andrea Riseborough als pragmatisch-coole Vogue-Chefredakteurin im Spagat zwischen Herzenswärme und beruflichen Zwängen. Zwar konzentriert sich die Handlung auf die markantesten Momente aus dem prägenden Jahrzehnt in Lees Leben, wirkt dennoch nur wie ein typisches Biopic und der Interviewrahmen mit nervigen Fragen zu Stationen ihrer chaotischen Existenz ist schlicht überflüssig. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine engagierte Fotografin, deren Bilder bis heute nichts von ihrer schmerzhaften Wirkung verloren haben. Auch nicht das wohl berühmteste, das Lee Miller in Hitlers Badewanne in seiner Münchner Wohnung zeigt. Ein arrangiertes „Stillleben“.

Margret Köhler